Klabautermann

Eine Geschichte von Henrik Buckelo

 

 

So Kinder, hört mir zu, denn ich hab euch eine Geschichte zu erzählen! Eine dieser Geschichten, die euch eure Eltern nie glauben werden, meine taten es ja auch nicht, obwohl ihre Wahrheit so sicher ist wie das Amen in der Kirche.

 

Damals war ich selbst noch ein Knirps. Ich begleitete meinen Vater, einen der besten und mutigsten Kapitäne der 7 Weltmeere, bei einer seiner Segeltouren durch die Nordsee. Oh, wie ich es liebte wenn der salzige Wind durch meine Haare wehte. Es war ein Gefühl der Freiheit und des Glücks.

Vor uns lag nur das weite und unendliche Meer. Zu unserem Glück war es tagelang ruhig, so dass wir gemütlich an verschiedenen Inseln halten konnten.

Meine Aufgabe an Deck war so einfach wie wichtig. Ich war dafür verantwortlich, dass das ganze Schiff immer blitzeblank glänzte. Zur Belohnung bekam ich abends immer einen extra Teller Labskaus. Wie ich mich darauf immer gefreut hatte!

Abends tranken mein Vater und seine Crew immer Rum bis zum Abwinken und erzählten sich gegenseitig das interessanteste und spannendste Seemannsgarn.

Eine der Geschichten gefiel mir am besten und zwar die, die der dicke und bärtige Smutje Rasmus erzählte, als er mal wieder zu tief ins Glas geschaut hatte. Es ging um eine Gestalt namens „Klabautermann“.  Diese Gestalt soll einen Kobold sehr ähneln, einen Kobold in Matrosenuniform und einen Hammer in der rechten Hand.

Dieser „Klabautermann“ wohne auf dem Schiff und habe dort mehrere Aufgaben. Laut Rasmus sei er dafür zuständig, das Schiff vor jeglicher Gefahr auf offener See zu beschützen. So behütet er es vor Brand und Strandungen. Zudem sorgt er dafür, dass die Mannschaft ihren Pflichten nachkommt. Nachts hämmert er um das Schiff abzudecken, oder um die Ladung zu sichern. Doch was mir am besten gefiel war, dass es hieß, er triebe auch ganz gerne mal Schabernack. Es sei aber ein schlechtes Zeichen wenn er sich zeigt und vom Bord gehen will, denn das hieß das, dass das Schiff unter geht.

Als ich daraufhin abends in meiner Koje lag, schweiften meine Gedanken nur um diesen „Klabautermann“ umher. Dabei fiel mir auf, dass meine Schuhe morgens nie dort standen, wo ich sie abends hingestellt hatte, nein wirklich nicht. Ich hatte sie immer an den kuriosesten Orten wieder gefunden. Im Lagerraum zwischen irgendwelchen Kisten, 3m hoch an den Mast geschnurrt, in leeren Putzeimern oder sogar mal in den Kochtöpfen von Rasmus in seiner Kombüse. Aber ich hatte mir nie wirklich was dabei gedacht, doch jetzt beschlich mich das Gefühl, dass dieser „Klabautermann“ das war. Ich wollte ihn unbedingt auf frischer Tat ertappen. So legte ich mich Nacht für Nacht auf die Lauer.  

Aber jedes Mal, wenn ich nur kurz meine Augen geschlossen hatte, sei es auch nur kurz zum Zwinkern, waren meine Schuhe weg. Es schien dem „Klabautermann“ sogar zu gefallen , dass ich ihm auflauerte. So war es für ihn umso lustiger. Während ich daraufhin den Tag über nur damit beschäftigt war, meine Schuhe wieder zu suchen und total müde von der schlaflosen Nacht war. Dies fiel gewiss auch meinem Vater auf, weswegen er mich immer früher und früher ins Bett schickte. Doch ich wollte diesen Klabautermann sehen!

Eines Nachts war es dann soweit, wir trieben mitten auf offener See, als mich der tosende Lärm der Crew weckte. Wir waren unerwartet in einen der schlimmsten je beobachteten Stürme geraten. Ich wollte helfen, also sprang ich aus meinem Bett und suchte natürlich wieder vergebens nach meinen Schuhen, weshalb ich barfuß los stolperte. Das ganze Schiff schwankte hin und her. Alles flog durch die Gegend, als ich auf einmal von unter Deck hämmern hörte, was mich wunderte, denn die ganze Crew war auf dem Deck. Also stapfte ich mutig, wie ich nun mal war, ebenfalls nach unten. Dort sah ich ihn! Diese kleine graue Gestalt, mit wilden, feuerroten Haaren und stechenden Augen in seiner Matrosenuniform, wie er den Hammer schwank.

 Er war dabei das Leck im Schiff abzudichten, damit kein Wasser einfloss. Dabei jagte er von einer Seite zur anderen Seite wie ein Flummi. Ich schaute ihn nur ganz entgeistert an. Als der Sturm langsam vorüber ging, fing auch er an mich zu bemerken und sagte nur: „Na, deine Schuh verloren?“, grinste hämisch und verschwand im selben Moment wieder spurlos. Als ich wieder aufs Deck kam, waren alle noch aufgeregt und konnten es immer noch nicht glauben, dass sie diesen Sturm überlebt hatten. Ich versuchte ihnen klar zu machen, dass der Klabautermann uns gerettet hatte, da er im Alleingang jedes Leck abgedeckt hatte, aber sie nahmen mich nicht ernst.

Am Tag danach legten wir wieder an Land an und ich bin seit jeher auf der Suche nach diesem Klabautermann, um ihm einmal für unsere Rettung zu danken und um ihn aufzufordern mir meine Schuhe wieder zu geben!